ROI-Berechnung zur Bewertung von Software-Investments
Mit dem steigenden Beitrag, den Unternehmens-Software heute im Wertschöpfungsprozess der Anwenderunternehmen leistet, steigt auch kontinuierlich die Investitionsbereitschaft der Betriebe in die eigene IT-Landschaft. Nicht selten nehmen Betrieb, Wartung, Anbindungen, Support und Weiterentwicklung der Systeme 20 Prozent und mehr der gesamten laufenden Kosten ein – insbesondere in der deutschen Industrie.
Unternehmenssoftware wird zur Kerninvestition
Software-Anbieter werben zum Teil seit geraumer Zeit damit um ihre Kunden, dass sich die Investitionen in ihre ERP-Software bereits nach wenigen Jahren amortisieren. Inwieweit die Berechnungen des ROI – Return on Investment – einer Software aber tatsächlich auch in der Praxis hilfreiche Entscheidungshilfen liefern und wie diese in der Auswahlphase das Investitionsrisiko minimieren können, darüber herrscht seit jeher zwischen den Experten ein Dissens.
Ist der ROI zur Bewertung von Software-Investitionen geeignet?
Die Hamburger Unternehmensberatung SoftSelect unterstützt seit mehr als 20 Jahren Unternehmen bei der Auswahl von Business-Applikationen und hat sich eingehend mit dieser Frage in vielen Beratungsprojekten auseinandergesetzt.
Relevante Fragen zum Thema Return of Investment, auf die im folgenden Text näher eingegangen wird:
2. Wie wird ROI In der Praxis zur Bewertung genutzt?
3. Welche Schwierigkeiten gibt es bei Verwendung des ROI?
4. Wie sehen Beispiele aus der Praxis aus?
5. Was muss ich bei Verwendung von ROI zusätzlich beachten?
6. Zusammenfassung: Wie bewerte ich meine Softwareinvestition richtig?
1. Bedeutung von ROI
Der Return on Investment(ROI) ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, mit der erfasst wird wie groß der Gewinn einer Investition im Verhältnis zum investierten Gesamtkapital ist. Sie bildet das prozentuale Verhältnis von Gewinn und Gesamtkapital ab und gibt an wie rentabel das eingesetzte Kapital ist.
2. Wie wird ROI In der Praxis zur Bewertung genutzt?
„Unternehmen investieren vor allem dann gerne in ihre Software-Systeme, wenn sie dadurch mittel- und langfristig Einsparpotenziale und Produktivitätssteigerungen erwarten können. Viele Betriebe reagieren aber erst dann, wenn der Leidensdruck zu groß wird und die Kundenbasis sich verringert bzw. die Auftragslage sich verschlechtert. Es ist daher eine Kardinalaufgabe des IT-Leiters, regelmäßig die Effizienz der eingesetzten Systeme und der davon betroffenen Prozessstrukturen zu prüfen und betriebswirtschaftlich effektive Alternativen zu bewerten“, erklärt SoftSelect Geschäftsführer Michael Gottwald.
ROI Rechner und ROI Berechnungsmethoden als Unterstützung für das Controlling
„IT-Ausgaben werden heute im Vergleich zu früher mit großer Sorgfalt geprüft. Aber gerade in Zeiten sinkender Budgets und reduzierten Absatzaussichten gewinnt die Frage nach schnellen ROIs für IT-Entscheider und deren Chefs stark an Bedeutung. Viele Software-Anbieter bieten daher ROI-Rechner oder ROI-Berechnungsmethoden an, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Produkte zu unterstreichen“, erklärt Gottwald.
3. Welche Schwierigkeiten gibt es bei Verwendung des ROI?
„Diese Berechnungsmethoden unterliegen jedoch nicht selten eklatanten methodischen Schwächen sowie theoretischen Modellannahmen, die oft den Praxisanforderungen nicht Stand halten. Sie sind daher nur eingeschränkt als Instrument zur Entscheidungsunterstützung im Softwareauswahlprozess heranzuziehen. Die Aussagekraft der ROI-Bewertung ist dabei aber auch abhängig vom Komplexitätsgrad der Software und den damit einhergehenden Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse sowie deren gesamte Organisation“, so Gottwald weiter.
Klare Kosten stehen schwer erfassbarem Nutzen gegenüber
Dass sich Unternehmen in ihren Investitionsentscheidungen mit ROI-Betrachtungen gedanklich auseinandersetzen, ist dennoch grundsätzlich sinnvoll. Denn bei der Abwägung von Kosten und Nutzen, die mit einem Projekt verbunden sind, werden die unternehmensspezifischen Ist-Prozesse, Soll- und zu erwartenden Szenarien gegenübergestellt und hinsichtlich Effizienzverbesserungen bewertet. Die Ermittlung der Kosten ist zumeist aber noch der vermeintlich einfache Teil der Berechnung.
Problematische Nutzenerfassung
- Positiveffekte lassen sich schwer messen: höhere Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit, vermiedene Fehler oder verbesserte Services fließen nicht in ROI mit ein
- Subjektiver Nutzen: Nutzenerfassung ist eine subjektiv geprägte Einschätzung
- Output schwer zuzuordnen: Steigerung der Auftragszahlen hängt in der Regel von vielen verschiedenen Parametern ab - keine eindeutige Abgrenzung zu infrastrukturellen Einflussfaktoren
ROI-Vergleich verschiedener Alternativen ist schwierig
Sollen aber neben einer Investition verschiedene Systemalternativen beurteilt werden, stößt diese Berechnungsmethode zunehmend an ihre Grenzen. Der Grund darin liegt in den zu treffenden Modellannahmen. Denn ein Vergleich ist nur dann aussagekräftig bzw. ist nur dann ein System mit einem höheren ROI die bessere Wahl, wenn sämtliche Randbedingungen über den Zeitraum gleich bleiben und die Systeme z.B. keine unterschiedlichen Auswirkungen auf die Prozesse haben. Doch diese Voraussetzungen sind in der Praxis kaum gegeben. Auch fließen in der Regel zunächst nur die direkten Einführungskosten in die Betrachtungen ein.
Wichtig: Kosten-Controlling in Bezug auf Folgekosten
Dass die Systeme zum Teil erheblich unterschiedliche Folgekosten, z.B. im Zusammenhang mit Wartungsaufwendungen, Integrationskosten oder höheren Anpassungskosten (z.B. change requests) im laufenden Betrieb mit sich bringen können (Stichwort Total Costs of Ownership), wird an der Stelle aufgrund der schwierigen Erfassung oftmals ausgeklammert.
4. Wie sehen Beispiele aus der Praxis aus?
Praxisbeispiel: Einführung eines ERP-Systems
Bei abgegrenzten, überschaubaren Projekten lassen sich die ROI-Berechnungsgrundlagen hingegen noch verhältnismäßig einfach ermitteln. So ließe sich z. B. bei einem mittelständischen Maschinen- und Fahrzeugbauer durch ein webbasiertes CRM-Portal oder ein Warenwirtschaftssystem die Ersatzteilbestellung automatisieren und der Kundendienst optimieren:
Vor Einführung waren pro Tag mehrere hundert Ersatzteilbestellungen per Fax, per Mail oder per Telefon aufgelaufen, die im Anschluss händisch von zwei Mitarbeitern in das ERP-System eingepflegt werden mussten. Mit der Einführung des neuen Systems sollte der gesamte Bestell- und Abwicklungsprozess automatisiert werden.
Höhere Effizienz durch Automatisierung der Bestellprozesse
Bereits kurz nach der Einführung des neuen Systems sind bereits über 90 % der Ersatzteilbestellungen über das Web-Portal abgewickelt worden. Die beiden Mitarbeiter, die bis dato mit der Einpflege der Ersatzteile in das ERP-System beschäftigt waren, konnten in nur kurzer Zeit nahezu vollständig eingespart und seitdem an anderer Stelle im Unternehmen eingesetzt werden. Die Investition hatte sich bereits nach weniger als neun Monaten gerechnet.
Dies wurde letztlich dadurch ermöglicht, dass die Kunden mit dem Portal ein Instrument an die Hand bekommen haben, mit dessen Hilfe sie Bestellungen direkt platzieren und in Echtzeit den Auftragsstatus verfolgen können. Der Kunde bestellt, der Lagerarbeiter sieht Bestellstati ein, der Lieferschein wird automatisch gedruckt und die Ware wird ausgeliefert. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der interne Prozess, die systemische Erfassung der Ersatzteilbestellungen, wird durch das Angebot eines Shop-Portals eliminiert bzw. ausgelagert. Der Kunde profitiert zudem von mehr Transparenz und schnelleren Lieferungen.
Vor Einführung des neuen Systems: | Nach Einführung des neuen Systems: |
---|---|
Bestellungen gehen per Mail, telefonisch oder per Fax bei Mitarbeitern ein | Bestellungen gehen elektronisch ein und können in Echtzeit verfolgt werden |
Bestellungen werden von Mitarbeitern händisch ins ERP-System eingepflegt | Bestellungen werden automatisch ins ERP-System übertragen |
Lieferschein wird von Mitarbeitern verfasst | Lieferschein wird automatisch gedruckt |
Sehr komplexe ROI Berechnung bei aufwendigen Softwarelösungen
Bei komplexeren Projekten wie z. B. einer ERP- Einführung ist eine solche Berechnung aufgrund der vielen Einflussparameter und einer oftmals einhergehenden Prozessreorganisation kaum darstellbar. So ist nicht nur die Berechnung um ein Vielfaches aufwendiger, auch die Aussagekraft ist aufgrund vermehrter Modellannahmen geringer. In der ERP-Praxis sind ex-ante ROI-Betrachtungen im Gegensatz zu ex-post Bewertungen daher eher die Ausnahme. Die Betrachtung aus der Retrospektive bewahrt Unternehmen zwar nicht vor einer Fehlinvestition, legt aber die Grundlage zur Bewertung des derzeitigen Status quo im Vergleich zu den vorigen Ergebnissen wie z. B. Durchlaufzeiten, Lagerbestände, Auftragsbearbeitungszeit etc. und kann einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess initiieren.
Betrachtungsweisen „ex ante“ und „ex post“
- Ex ante: Betrachtung im voraus (Plangröße)
- Ex post: Betrachtung im Nachhinein (realisierte Größe)
Beispiel: Nutzenerhöhung durch Softwareeinführung
In einem anderen Fall hat ein Werkzeugbauer eine ERP-Software samt APS-Modul (Advanced Planning & Scheduling) eingeführt. Gleichzeitig fand die Umsetzung einer „Realtime“-Fertigungsplanung und - Produktion auf Basis der neuen Lösung statt. Im Ergebnis konnten die Durchlauf- und Lieferzeiten reduziert, die Termintreue erhöht, die Produktionskosten verringert und die Ressourcenauslastung verbessert werden. Zudem wurden Lagerbestände mit der neuen Lösung so effizienter bewirtschaftet und dadurch das gebundene Kapital ohne Produktionseinschränkungen um fast 20 % gesenkt. Dies ist ein Beispiel, wie es in der Praxis häufig anzutreffen ist: Lokale, organisatorische und strukturelle Verbesserungen, die teilweise bewertbar, aber zum großen Teil auch nicht quantifizierbar sind.
Beispiel von verbessertem Nutzen durch Softwareeinführung:
- Reduzierung der der Durchlauf- und Lieferzeiten
- Erhöhung der Termintreue
- Verringerung der Produktionskosten
- Verbesserung der Ressourcenauslastung
- Effizientere Bewirtschaftung der Lagerbestände
- Senkung des gebundenen Kapitals ohne Produktionseinschränkungen
5. Was muss ich bei Verwendung von ROI zusätzlich beachten?
Risiko im ROI nicht enthalten
Auch sind die Investitionskosten bei derartigen Projektvorhaben meist um ein Vielfaches höher als bei CRM, FiBu- oder HR-Projekten. Wird beispielsweise unter den zugrundeliegenden Modellannahmen ein ROI von 200 % über einen Zeitraum von drei Jahren ermittelt, erscheint die Investition zunächst vielversprechend. Eine Aussage zu dem Risiko der Investition gibt der ROI jedoch nicht. Für den Budgetverantwortlichen ist es jedoch sehr wohl entscheidend, ob im Zusammenhang mit dem Projekt 10.000 oder mehrere 100.000 Euro veranschlagt werden müssen. Daher ist es sinnvoll, die ROI-Bewertung durch andere Formen der Rentabilitätsberechnung wie zum Beispiel einer Break-Even-Analyse oder der Kapitalwertmethode zu ergänzen, um sich einer valideren Investitionsentscheidung zu nähern.
Break-Even-Analyse: Ab wann zahlt sich eine Investition aus?
Die Break-Even-Analyse berechnet beispielsweise die Zeit, ab wann ein Investment sich auszahlt bzw. einen positiven Ertrag generiert. Im Gegensatz zum ROI liefert diese Methode Anhaltspunkte für das Risiko eines Einführungsprojektes in Abhängigkeit seiner Laufzeit. In der Regel würde sich ein Unternehmen für die Investition entscheiden, die die kürzere Amortisation verspricht. Aber auch diese Entscheidung muss nicht immer die Beste sein: So kann beispielsweise ein auf zehn Jahre ausgelegtes Projekt nach einem Jahr die Kosten „eingespielt“ haben, kann aber aufgrund nicht zu erwartender Cashflows in den Folgejahren gegenüber einem anderen Projekt mit konstant positivem Ertrag über einen längeren Zeitraum die schlechtere Wahl sein.
Kapitalwerttheorie: Die Summe aller Ein- und Auszahlungen
Die Kapitalwertmethode hingegen, als ein weiteres gängiges Instrument der Investitionsrechnung, errechnet die Summe aller durch die Investition verursachten Ein- und Auszahlungen über einen definierten Zeitraum hinweg. Positive Überschüsse würden dabei stets mit einem Kalkulationszinssatz verzinst und inflationsbereinigt. Am Ende wird das Projekt realisiert, das schließlich den größten Kapitalwert verspricht. Die besondere Schwierigkeit dieser Bewertungsmethode liegt vor allem in der Bestimmung und Schätzung aller resultierenden Ein- und Auszahlungen.
6. Zusammenfassung: Wie bewerte ich meine Softwareinvestition richtig?
Es gibt also neben der ROI-Berechnung eine Reihe von weiteren etablierten Bewertungsansätzen, die einen Anhaltspunkt für die Investitionsentscheidung geben, aber für sich genommen in ihrer Aussagekraft beschränkt sind.
- Kennzahlen Mix zur Bewertung: Verschiedene Instrumente wie ROI, Break-Even-Analyse oder Kapitalwerttheorie sollten sich gegenseitig ergänzen, um die Argumentation für ein bestimmtes Projekt zu unterstützen.
- Vollkommene Gewissheit ist ausgeschlossen: Störgrößen, Fehlkalkulationen oder unvorhersehbare Ereignisse beeinflussen die Auswirkungen der Software-Einführung stets negativ oder positiv
- Risikoaufschläge: Minimierung des Investitionsrisikos durch Einplanung von Rückschlägen oder Worst-Case-Szenarien
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