GROW with SAP vs. RISE with SAP
Bei ihrer ERP-Transformation haben Unternehmen die Wahl zwischen zwei Angeboten in der Public Cloud vs. Private Cloud. Welches passt wann am besten?
Derzeit beschäftigen sich zahlreiche Unternehmen mit der Einführung von SAP S/4HANA. Da der Umstieg auf das neue ERP die Weichen für die künftige Geschäftsentwicklung stellt, ist eine sorgfältige Abwägung der Wahl des geeigneten Umstiegsmodells von entscheidender Bedeutung. SAP bietet zwei verschiedene Angebotspakete an: GROW with SAP, eine Public-Cloud-Variante, und RISE with SAP, eine Private-Cloud-Variante. Wir erläutern die zentralen Unterschiede und Auswirkungen der beiden Modelle in der Praxis. So kann jedes Unternehmen das für es geeignete Angebot finden.
Was ist GROW with SAP?
Das SAP-Angebot GROW with SAP basiert auf SAP S/4HANA Cloud Public Edition. Kunden erhalten ein betriebsbereites Cloud-ERP-System als SaaS, das die neuesten Best Practices der Branche und kontinuierliche Innovation liefert. GROW with SAP setzt die Bereitschaft und den Wunsch voraus, eng an Standardprozessen zu arbeiten. Das Angebot richtet sich sowohl an Neukunden, die bisher noch kein SAP ERP einsetzen, als auch an Bestandskunden, die SAP S/4HANA in einem Greenfield-Ansatz einführen möchten. Mit im Paket enthalten sind begleitende Aktivierungsservices, Lernressourcen sowie weitere Tools und technische Lösungen, etwa die SAP Business Technology Plattform (BTP).
Was ist RISE with SAP?
Das SAP-Angebot RISE with SAP basiert auf SAP S/4HANA Cloud Private Edition. Kunden erhalten eine Single-Tenant-Cloud-Lösung mit dem vollen Umfang von SAP S/4HANA On-Premises und haben die Möglichkeit, ihr ERP-System hochgradig individuell anzupassen. Das Angebot richtet sich an SAP-Bestandskunden, die ihr vorhandenes SAP-ERP auf SAP S/4HANA Cloud migrieren möchten, bestehende Prozesse beibehalten wollen und einen hohen Individualisierungsbedarf haben. Wie bei GROW sind auch im RISE-Paket begleitende Beschleunigungsdienste, Tools und Methoden enthalten.
GROW with SAP vs. RISE with SAP: die Unterschiede
Bei GROW vs. RISE geht es im Grunde um die Frage: Public Cloud vs. Private Cloud. Aber was bedeutet das konkret für das Unternehmen und seine Prozesse? Um die Auswirkungen in der Praxis aufzuzeigen, beleuchtet Marko Lorenz, Experte für SAP ERP Cloud bei All for One, sieben zentrale Aspekte näher.
1. Industriestandard vs. Individualisierung
SAP S/4HANA Cloud Public Edition bietet Standardprozesse, die von SAP auf Basis bewährter Best Practices entwickelt wurden. Diese Prozesse decken grundlegende Geschäftsanforderungen für viele verschiedene Branchen ab. Nah am Standard zu arbeiten bringt in der Praxis wertvolle Vorteile. Das ERP-System wird dadurch schlanker, effizienter, agiler und leichter zu managen da es immer Updatefähig bleibt. Häufig lassen sich Prozesse heute im Industriestandard einfacher und besser abbilden als mit den bestehenden Eigenentwicklungen. „Viele Unternehmen haben ihr bestehendes ERP-System über die Jahre hinweg stark individualisiert, sodass ein unübersichtliches, aufgeblasenes Konstrukt aus Eigenentwicklungen entstanden ist. Indem sie wieder zum Standard zurückkehren, können sie Komplexität reduzieren und die Effizienz steigern“, meint Marko Lorenz.
Bis zu einem gewissen Grad können Unternehmen die Standardprozesse in der SAP S/4HANA Public Cloud anpassen, indem sie die SAP-Fiori-Apps konfigurieren. Komplexere Änderungen werden mithilfe der SAP BTP integriert. Der Kern des SAP-Systems bleibt dabei aber immer unverändert. In der SAP S/4HANA Private Cloud können Unternehmen dagegen hochgradig maßgeschneiderte Geschäftsprozesse entwickeln und ggf. zum Teil in Coreprozesse eingreifen – so, wie sie es von ihrem On-Premises-System gewöhnt sind. Das schafft maximale Flexibilität mit allen Vor- und Nachteilen. Denn je stärker das ERP individualisiert ist, desto komplexer werden Einführung, Wartung und Anpassung an neue Anforderungen.
Tipp von Marko Lorenz: Wenn Sie 70 bis 80 Prozent Ihrer Geschäftsprozesse mit dem SAP-Standard abdecken können, ist GROW with SAP die richtige Wahl. Wenn Sie mehr als 30 Prozent Anpassungsmöglichkeit brauchen und sehr spezielle Anforderungen haben, ist RISE with SAP besser geeignet.
2. Umsetzungsgeschwindigkeit
Wer möglichst schnell auf SAP S/4HANA umsteigen möchte, weil etwa das alte ERP-System das Lebenszyklus-Ende erreicht hat, ist mit der Public Cloud klar im Vorteil. Dank der hohen Standardisierung lässt sich SAP S/4HANA Cloud Public Edition durchaus innerhalb von sechs Monaten einführen. Die Prozesse sind sofort einsatzbereit und können auch an neuen Standorten schnell ausgerollt werden. Daher eignet sich dieses Modell auch sehr gut, wenn eine Umstrukturierung ansteht, Tochtergesellschaften ausgegliedert oder neue Gesellschaften integriert werden. Ein Projekt für SAP S/4HANA Private Cloud ist dagegen aufgrund der Individualisierung aufwendiger und langwieriger. „In der Regel dauert die Einführung 12 bis 18 Monate, also doppelt bis dreimal so lang wie bei der Public Cloud“, berichtet Marko Lorenz.
Tipp von Marko Lorenz: Wer möglichst schnell SAP S/4HANA einführen möchte, ist mit GROW with SAP im Vorteil.
3. Kosten und Folgekosten
Die Umsetzungsgeschwindigkeit wirkt sich direkt auf die Kosten der SAP-S/4HANA-Einführung aus. Diese liegen bei einem Private-Cloud-Projekt um den Faktor zwei bis drei über der Public Cloud. Auch die Subscription (Monatlichen Kosten) ist durch die Mindestanforderungen mehr als doppelt so teuer. Dazu kommen erheblich höhere Folgekosten. In der Private Cloud verursachen Updates einen enormen Aufwand, weil IT-Teams erst testen müssen, wie sich Änderungen auf den Betrieb auswirken. „In Folge kommt es häufig zu einem Wartungsstau, sodass Unternehmen Releases auslassen, weil sie mit dem Testing und erforderlichen Anpassungen nicht hinterherkommen,“ weiß Marko Lorenz. In der Public Cloud spielt SAP dagegen zweimal im Jahr automatisiert Updates ein und übernimmt die volle Betriebsverantwortung. Unternehmen haben also immer ein aktuelles System zur Verfügung und können sich darauf verlassen, dass es funktioniert. Updates, Releases und Systemwartung sind in den Subscription-Kosten enthalten.
Tipp von Marko Lorenz: Die Public Cloud ist günstiger und verursacht geringere Folgekosten als die Private Cloud.
4. Zukunftssicherheit
Bei der Wahl der ERP-Lösung sollten Unternehmen auch an die Zukunft denken. Wirtschaftliche und regulatorische Anforderungen können sich jederzeit ändern. Viele Industriebetriebe führen zum Beispiel neue Service-basierte Geschäftsmodelle ein, die eine nutzungsbasierte Abrechnung erfordern. Wir alle erinnern uns außerdem noch an den Aufwand, den die Mehrwertsteuerumstellung während der Corona-Pandemie verursacht hat. Indem Unternehmen auf die Public Cloud setzen, bleiben sie agil, denn standardisierte Prozesse lassen sich viel schneller und einfacher anpassen als stark individualisierte. Dadurch sinkt auch das Risiko für Wartungsstau und resultierende Compliance-Verstöße. „Was passiert außerdem, wenn ERP-Entwickler das Unternehmen verlassen oder in Rente gehen? Individuelle Lösungen hängen stark von einzelnen Menschen ab, standardisierte können problemlos von neuen Mitarbeitern übernommen werden“, gibt Marko Lorenz zu Bedenken.
Tipp von Marko Lorenz: Die Public Cloud ist zukunftssicherer. Auch SAP selbst fokussiert auf die Public Cloud und setzt dort den Großteil der Entwicklungsressourcen ein.
5. Anbindung von Drittanbietern
Ob CRM-, CAD-, Dokumentenmanagement- oder HR-System: In den meisten Unternehmen muss das ERP-System mit Lösungen von Drittanbietern zusammenarbeiten. Wie lassen sich diese mit SAP S/4HANA verbinden? „In der Public Cloud erfolgt die Integration schnell und einfach über Webservices. Allerdings muss der Drittanbieter dafür die passenden Schnittstellen bereitstellen. Bisher ist die Zahl der verfügbaren Services daher noch eingeschränkt, sie nimmt aber exponentiell zu“, führt Marko Lorenz aus. Die Private Cloud ist in dieser Hinsicht derzeit noch im Vorteil: Unternehmen können fast all ihre Integrationen aus der On-Premises-Welt nach SAP S/4HANA umziehen. Grundsätzlich propagiert SAP aber eine „Keep the Core Clean“-Strategie. Künftig soll die SAP BTP als technologische Drehscheibe dienen, um Drittanbieter-Lösungen und Add-ons anzubinden. Sowohl in der Private Cloud als auch der Public Cloud sind Integrationen über die BTP möglich.
Tipp von Marko Lorenz: Bei der Anbindung von Drittanbieter-Lösungen ist die Private Cloud derzeit noch im Vorteil. Die Public Cloud holt aber schnell auf.
6. Greenfield vs. Brownfield und Bluefield
„GROW with SAP ist immer eine Neu-Einführung nach dem Greenfield-Ansatz. Dieser bringt alle genannten Vorteile eines sauberen, schlanken Systems mit standardisierten Prozessen, erfordert aber auch den Mut für einen radikalen Neuanfang“, sagt Marko Lorenz. RISE with SAP ermöglicht dagegen die Migration im Brownfield- oder Bluefield-Ansatz. Brownfield bedeutet die direkte Migration eines bestehenden Systems in die Cloud, wird jedoch nur als vorübergehende Lösung empfohlen, da Unternehmen damit Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Prozesse ungenutzt lassen. Bluefield hingegen ermöglicht eine selektive Datenübernahme und Prozessoptimierung – aber nicht in der Radikalität eines Greenfield-Ansatzes.
Tipp von Marko Lorenz: GROW with SAP eignet sich für Unternehmen, die bereit sind, mit ihrem ERP auf einer grünen Wiese neu zu starten und.sich von „Altlasten“ zu trennen. Wer bestehende Prozesse unverändert übernehmen will, braucht RISE with SAP.
7.Multi-Tenant vs. Single Tenant
Die Private-Cloud-Version von SAP S/4HANA läuft auf einem Single-Tenant-Server. Jeder Kunde hat eine eigene Instanz der Software und nutzt seine eigenen Ressourcen. SAP übernimmt die Wartung, der Kunde kann aber entscheiden, ob sein SAP S/4HANA bei SAP oder im Rechenzentrum eines Hyperscaler-Partners gehostet werden soll. Die Public-Cloud-Version läuft dagegen als SaaS auf einem Multi-Tenant-Server. Mehrere Kunden teilen sich eine Software-Instanz sowie die Bandbreite der virtuellen Maschine. Natürlich sind die einzelnen Systeme aber streng voneinander isoliert, sodass jeder Kunde nur auf seinen eigenen Bereich zugreifen kann. „Vergleichen lässt sich das mit einem Mehrfamilienhaus: Jeder Kunde hat den Schlüssel für seine eigene Wohnung, aber wenn das Dach repariert werden muss, teilen sich alle die Kosten. In einem Einfamilienhaus – der Private Cloud – muss der Eigentümer dagegen alles alleine bezahlen und verantworten“, schildert Marko Lorenz.
Tipp von Marko Lorenz: In einem Multi-Tenant-Modell teilen sich Unternehmen die Ressourcen und haben dadurch geringere Gesamtbetriebskosten als in einem Single-Tenant-Modell.
Wie sollten Unternehmen am besten vorgehen?
Am Anfang stehen zwei Fragen: Warum wollen wir nach SAP S/4HANA wechseln und wann? Gründe können zum Beispiel sein, dass die Wartung des bestehenden Systems ausläuft, sich das Geschäftsmodell geändert hat oder sich das Unternehmen zukunftsfähig aufstellen möchte. „Aus dem Warum ergibt sich meist schon das Wann. Grundsätzlich ist die Public Cloud zukunftssicherer und lässt sich schneller einführen. Daher empfiehlt es sich, zunächst in einem Discovery-Workshop zu prüfen, ob dieses Modell in Frage kommt“, rät Marko Lorenz.
Wenn 80 bis 90 Prozent der Unternehmensanforderungen mit dem Industriestandard abbildbar sind, ist die Public Cloud aus technischer Sicht geeignet. Mindestens genauso wichtig ist aber das richtige Cloud-Mindset: Sind die Fachabteilungen bereit, sich von gewohnten Prozessen und alten, gelebten Anforderungen zu verabschieden? Haben sie den Mut zur Veränderung und zur digitalen Transformation? Nur, wenn das Management selbst überzeugt hinter der ERP-Neueinführung steht und eine Cloud-Kultur fördert, kann das Projekt erfolgreich sein.
So läuft ein GROW- bzw. RISE-Projekt ab
Je nachdem, ob das Unternehmen GROW with SAP oder RISE with SAP als Cloud-ERP-Modell wählt, unterscheidet sich die Einführungsmethodik. In einem Private-Cloud-Projekt gehen die Berater der All for One klassisch anforderungsgetrieben vor. Sie ermitteln gemeinsam mit dem Unternehmen, wie die Geschäftsprozesse im neuen ERP-System aussehen sollen, und entwickeln Lösungen, um die Anforderungen umzusetzen. Die zentrale Frage lautet: Was möchte das Unternehmen und wie kann sich das System an das Unternehmen anpassen?
Ein Public-Cloud-Projekt ist dagegen Standard-getrieben. Die Berater analysieren die bestehenden Prozesse des Unternehmens und prüfen, ob sich dieselben Ergebnisse mit den SAP-Standardprozessen erzielen lassen. Hier lautet die zentrale Frage: Wie kann sich das Unternehmen an den Standard anpassen? Anforderungen, die nicht mit den Standardprozessen abbildbar sind, landen auf einer Liste. Anschließend ermitteln die Berater, ob und wie sich diese mit Konfigurationen oder Side-by-Side-Entwicklungen über die SAP BTP umsetzen lassen.
Fazit
„Der Wechsel auf SAP S/4HANA ist ein wichtiger Schritt für Unternehmen, um ihr ERP fit für die digitale Transformation zu machen. Die Zukunft liegt klar in der Public Cloud. Nicht jedes Unternehmen ist aber schon bereit dafür“, beschriebt Marko Lorenz. Wenn der Mut zum radikalen Neuanfang noch fehlt oder hochspezialisierte Anforderungen gegen SAP S/4HANA Cloud Public Edition sprechen, kann es sinnvoll sein, zunächst auf die Private Cloud zu migrieren. Diese kann dann vorübergehend als Brückentechnologie dienen. Denkbar sind auch hybride Szenarien, sodass nur ausgewählte Bereiche oder Gesellschaften als Leuchtturmprojekt mit Standardprozessen in der Public Cloud abgebildet werden. Ein spezialisierter Partner wie All for One hilft dabei, den besten Weg zu finden.
Marko Lorenz
Senior Sales Executive SAP Cloud-ERP
All for One Group SE
Weitere Informationen zur All for One Group SE
Artikel vom 10.12.2024
Schlagwörter: SAP S/4Hana, ERP, Cloud
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